Bäume als Haftungsrisiko? -- § 1319b ABGB erklärt
Datum06. Oktober 2025
KategorieZivil- und Schadenersatzrecht
Wann haftet der Baumhalter bei Schäden durch umstürzende Bäume oder Äste?
Bis 1.5.2024 wurden Schadensfälle, die durch umstürzende Bäume oder herabfallende Äste verursacht wurden unter analoger Anwendung* des § 1319 ABGB über die Bauwerkehaftung gelöst. Dass dies nicht immer zielführend war, ist unter Bedachtnahme auf die evidenten Unterschiede zwischen Bauwerken und Bäumen und die dementsprechenden unterschiedlichen Risiken und Absicherungspflichten selbsterklärend. Folglich wurde mit dem HaftRÄG 2024 § 1319b ABGB eingeführt, der auf die spezifischen haftungsrechtlichen Probleme bei Schadensfällen durch Bäume Bedacht nimmt.
Haltereigenschaft und Haftungsvoraussetzungen
§ 1319b Abs 1 ABGB macht dabei bei Schäden durch Umstürzen eines Baumes oder durch das Herabfallen von Ästen jene Person haftungsrechtlich verantwortlich, die die Halterqualifikationen aufweist. Ob eine Person diese erfüllt, erfolgt nicht aufgrund einer dem § 1319b ABGB zugeschnittenen Prüfung. Vielmehr ist darauf abzustellen, wer die Verfügungsgewalt hat und wen die Kostentragung trifft. Folglich kommen als Halter beispielsweise Eigentümer, Mieter oder Pächter in Frage.
Der Halter haftet dabei nur, wenn die Tötung oder Verletzung eines Menschen bzw. die Beschädigung einer Sache durch Umstürzen des Baumes oder Herabfallen eines Astes deshalb erfolgt, weil er die erforderliche Sorgfalt bei der Prüfung und Sicherung des Baumes vernachlässigt. Ein Schaden alleine reicht demnach nicht aus, um den Halter haftbar zu machen. Vielmehr muss die Außerachtlassung der Sorgfalt, aufgrund dessen ein Schaden verursacht wurde, zumindest leicht fahrlässig erfolgen.
Die Sorgfaltspflichten des Baumhalters
Der unbestimmte Rechtsbegriff der „erforderlichen Sorgfalt“ erfährt außerdem in § 1319b Abs 2 ABGB eine Konkretisierung. Dies ist vor allem deshalb zu begrüßen, weil damit den besonderen Anforderungen einer angemessenen Prüfung und Sicherung von Bäumen Rechnung getragen wird. Der Umfang der Sorgfaltspflichten orientiert sich dabei u.a. an Standort, Größe und Zustand des Baumes sowie der Zumutbarkeit der Prüfungs- und Sicherungsmaßnahmen. Bezüglich der zu setzenden Maßnahmen sind in erster Linie Kontrollen durch die Halter angedacht. Bei Bedarf ist der jeweilige Baum entsprechend zu stabilisieren. Alternativ kommen als Maßnahmen in der Umgebung des Baumes Absperrungen oder auch Warnschilder in Betracht. Besteht außerdem aufgrund der Lage oder Bedeutung des Baumes ein besonderes Interesse an der Erhaltung des naturbelassenen Zustandes des Baumes, ist dies bei den zumutbaren Maßnahmen ausreichend zu berücksichtigen und kann durchaus zu einer Reduktion der Sicherungspflichten führen. Dieser ökologische Aspekt blieb bei einer Anwendung des § 1319 ABGB zur Bauwerkehaftung auf Schadensfälle durch Bäume voll-kommen unberücksichtigt und war ein Hauptargument für die Einführung des § 1319b ABGB.
Die Beweislast
Eine weitere bedeutende Änderung bringt § 1319b Abs 3 ABGB mit sich: Durch die Anwendung von § 1319 ABGB war nämlich vor Einführung des § 1319b Abs 3 ABGB bei Baumunfällen eine Beweislastumkehr anwendbar. Dies bedeutete, dass der Schädiger bzw. Halter beweisen musste, jegliche zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet zu haben. Falls er dieser Beweispflicht nicht nachkam, konnte er haftbar gemacht werden. § 1319b Abs 3 ABGB geht nun von dieser Beweislastumkehr ab und sieht eine klassische Verschuldenshaftung vor. Das bedeutet, dass der Geschädigte die Sorgfaltspflichtverletzung des Schädigers nachweisen muss.
Fazit
Die Einführung des § 1319b ABGB bringt in Bezug auf Baumunfälle in vieler Hinsicht Klarheit. Für Betroffene von Bedeutung ist vor allem die Konkretisierung der Sorgfaltspflichten sowie die Beseitigung der Beweislastumkehr, die im Falle eines Verfahrens erhebliche Bedeutung haben kann. Das Team von Lorenz & Strobl Rechtsanwälte GmbH steht Ihnen bei Fragen rund um Haftung im Zusammenhang mit Baumunfällen kompetent zur Seite – von der ersten rechtlichen Einschätzung bis zur Vertretung in einem möglichen Verfahren.
* Analoge Anwendung“ bedeutet, dass man ein Gesetz bzw. eine Bestimmung (in diesem Fall § 1319 ABGB) auf einen Fall anwendet, für den es eigentlich nicht konzipiert wurde. Dies ist in Situationen von Bedeutung, in denen für den konkreten Fall keine Bestimmung existiert, ein Vergleichbarer aber bereits im Gesetz geregelt ist.
Über den Autor
2022 Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte der Tiroler Rechtsanwaltskammer. Seit 2018 ehrenamtliche Tätigkeit für den Weissen Ring, seit 2022 Landesleiterin Stellvertreterin des Weissen Ring in Tirol. Seit 2022 geschäftsführende Gesellschafterin der Lorenz & Strobl Rechtsanwälte GmbH
Martina Thrainer
Partnerin