Von Bewusstsein bis Unterstützung: Die entscheidende Rolle der Kampagne "16 Tage gegen Gewalt an Frauen"

Datum28. November 2023

KategorieOpferrecht

im Bild Landesleiter Stellvertreterin Weisser Ring Mag. Martina Thrainer - Partnerin Rechtsanwaltskanzlei Lorenz & Strobl Rechtsanwälte GmbH

Aktion 16 Tage gegen Gewalt an Frauen

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Zwischen 25. November (Internationaler Tag gegen Gewalt gegen Frauen) und 10. Dezember (Internationaler Tag der Menschenrechte), sohin an exakt 16 Tagen, wird im Rahmen einer internationalen Kampagne das Recht auf ein gewaltfreies Leben von Frauen eingefordert. Es soll insbesondere Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass es sich bei Gewalt gegen Frauen und Mädchen um eine Menschenrechtsverletzung handelt, die für die Betroffene schwerwiegende und nachhaltige Folgen hat, aber sich auch auf die Gesellschaft auswirkt.

Häusliche Gewalt vs. situative Gewalt: Ein Vergleich der Opfererfahrung

Unabhängig davon, dass Gewalt gegen Personen, egal welchen Geschlechts, Alters, sexueller Orientierung oder Herkunft immer zu verurteilen ist, möchte ich als Landesleiter-Stellvertreterin des WEISSEN RINGs, Landesstelle Tirol, die „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ zum Anlass nehmen, um folgendes Szenario zu schildern:

Stellen Sie sich vor, Ihre Schwester/Freundin/Tochter wird Opfer häuslicher Gewalt. Nun stellen Sie sich vor, Ihre Schwester/Freundin/Tochter wird im Rahmen ihrer Berufstätigkeit oder willkürlich auf der Straße Opfer eines ihr unbekannten Täters.

Die Herausforderungen für Opfer situativer Gewalt

Im ersten Fall wird Ihre Schwester/Freundin/Tochter umgehend und vollumfassend durch die Gewaltschutzzentren aufgefangen, weil die Polizei die Daten von Opfern häuslicher Gewalt an die zuständigen Gewaltschutzzentren übermitteln darf. Die Mitarbeitenden setzen sich sodann proaktiv mit der Betroffenen in Verbindung.  

Wird Ihre Schwester/Freundin/Tochter jedoch Opfer eines ihr unbekannten Täters oder fehlt eine Nahebeziehung zu diesem, wird ihr seitens der Polizei nur ein Informationszettel über Opferrechte und -einrichtungen ausgehändigt. Darüber hinaus ist die Betroffene von der Motivation der Polizei abhängig und auch davon, dass sie konkret über Opferhilfeeinrichtung, insbesondere den WEISSEN RING, ausreichend informiert wird. 

Eine analoge Bestimmung, nach der die Ermittlungsbehörde die Daten eines Opfers von sogenannter situativer Gewalt an den WEISSEN RING weiterleiten darf, fehlt nämlich aus unerklärlichen Gründen immer noch. Das bloße Aushändigen eines Informationsblattes hat niemals die Wirkung einer aktiven Kontaktaufnahme, zumal das Opfer durch das Erlebte massiv belastet ist und naturgemäß nicht auch noch Recherchetätigkeiten durchführen kann, um die dringend erforderliche Unterstützung zu erhalten.

Forderung nach Gleichbehandlung aller Gewaltopfer

Im Rahmen der Aktionskampagne „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“, ist es mir ein Anliegen, aufzeigen, dass eine Frau, die Gewalt durch einen ihr unbekannten Täter erlebt, bedauerlicherweise mangels gesetzlicher Gleichbehandlung oftmals zu spät oder gar nicht von der Arbeit des WEISSEN RINGs erfährt und so ungerechtfertigterweise nicht dieselbe umfassende Unterstützung erhält, wie eine Frau, die Opfer häuslicher Gewalt wird.

Der Weg zur Unterstützung: Barrieren und Lösungen

Opfer situativer Gewalt, das sind Opfer, die keine nähere private Verbindung zum Täter haben, müssen – bis die Politik entsprechend reagiert und eine Gleichbehandlung schafft – selbst aktiv werden und sich bei einer Opferhilfeeinrichtung melden. Dabei handelt es sich für meist schwer traumatisierte Opfer um eine enorme Hürde, die mit großer Unsicherheit verbunden ist. Aufgrund dieser Unsicherheit bzw. oftmals auch Unwissenheit über das Vorhandensein von Opferhilfeeinrichtungen und deren Tätigkeit, erfahren viele Betroffene zu spät oder gar nicht von ihren rechtlichen Möglichkeiten.

Um Opfer situativer Gewalt, darunter fallen auch Frauen, die keine Nahebeziehung zum Täter haben, gleich gut zu unterstützen zu können wie Opfer häuslicher Gewalt fordert der WEISSE RING daher die gleichen Rechte für alle Opfer. Bis eine Gleichbehandlung von allen Opfern gesetzlich verankert wird, ist der WEISSE RING unter anderem auf Mundpropaganda angewiesen.

 

Der WEISSE RING im Detail: Dienste und Unterstützungen 

Der WEISSE RING ist ein gemeinnütziger Verein in der Opferhilfe. Der WEISSE RING unterstützt Menschen, denen Gewalt im öffentlichen Raum angetan wurde, unabhängig von Geschlecht, Alter, sexueller Orientierung oder Herkunft. 

Der WEISSE RING stellt Opfer von Straftaten mit ihren Bedürfnissen und Interessen ins Zentrum seiner Arbeit und die Opferhilfe ist für Betroffene kostenlos. Opfer erhalten Unterstützung durch 

  • das Führen von Entlastungsgesprächen
  • Informationen zum Ablauf eines Strafverfahrens
  • juristische und psychosoziale Prozessbegleitung
  • Beratung zu Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz (Unterstützungsleistungen wie die Übernahme der Kosten einer Psychotherapie oder den Ersatz von beschädigten Brillen, Zahnersatz oder Haustüren bis hin zum pauschalierten Schmerzensgeld)
  • Finanzielle Hilfe in besonderen Notfällen.

Fakten und Daten 
Bei 39,5 % der im Jahr 2021 behördlich erfassten Straftaten gegen Leib und Leben gab es keine Vorbeziehung zwischen Täter und Opfer. Bei schwerwiegenden Straftaten war sogar in 58,1 % der Fälle keine persönliche Beziehung vorhanden.

Über den Autor

2022 Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte der Tiroler Rechtsanwaltskammer. Seit 2018 ehrenamtliche Tätigkeit für den Weissen Ring, seit 2022 Landesleiterin Stellvertreterin des Weissen Ring in Tirol. Seit 2022 geschäftsführende Gesellschafterin der Lorenz & Strobl Rechtsanwälte GmbH

Martina Thrainer

Martina Thrainer
Partnerin

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