OGH stärkt Rechte von Gewaltopfern bei polizeilichen Versäumnissen

Datum20. November 2024

KategorieOpferrecht

Neue juristische Perspektiven für Gewaltopfer nach jüngstem OGH-Beschluss

Neue juristische Perspektiven für Gewaltopfer nach jüngstem OGH-Beschluss

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Der Oberste Gerichtshof hat in seinem Beschluss vom 27.05.2024 die Position von Betroffenen bei der Durchsetzung von Amtshaftungsansprüchen im Falle von Unterlassungen der Polizei im Zusammenhang mit Gewalt gegen Frauen gestärkt.

Der Fall im Überblick

Im entschiedenen Fall erlitt die Klägerin schwere Verletzungen durch ihren ehemaligen Partner, der trotz vorangegangener Gewalttaten und Morddrohungen nicht ausreichend durch die Polizei gestoppt wurde. Ein Betretungs- und Annäherungsverbot wurde nicht verhängt und auch die Staatsanwaltschaft wurde seitens der ermittelnden Polizeiinspektion nicht informiert. Stattdessen erhielt der Täter eine Ladung zur Vernehmung, woraufhin er beschloss, die Klägerin zu töten. Es kam zu einem Mordversuch, bei dem die Klägerin schwer verletzt wurde.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagsbegehren mit der Begründung ab, dass der Klägerin der notwendige Beweis der Kausalität zwischen der Unterlassung der Polizei und der Tathandlung nicht gelungen sei. Der Täter hätte sich laut Berufungsgericht über das Betretungs- und Annäherungsverbot hinwegsetzen und seine Tat dennoch ausführen können.

Rechtliche Bedeutung des Beschlusses

Grundsätzlich müssen Geschädigten in Schadenersatzprozessen beweisen, dass die Handlung bzw. das Unterlassen des Schädigers kausal für den Schadenseintritt war. Der Beweis ist dann erbracht, wenn das erkennende Gericht mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Kausalität überzeugt ist.

Der OGH entschied, dass der Klägerin in diesem Fall die Beweiserleichterung durch den Anscheinsbeweis zugutekommt. Ein Betretungs- und Annäherungsverbot dient dem Zweck, körperliche Übergriffe zu verhindern. Der erste Anschein spricht daher dafür, dass sich der Täter an das Verbot gehalten hätte und den Mordversuch nicht verübt hätte.

Auch beim unterlassenen Bericht der Polizei an die Staatsanwaltschaft gilt eine Beweiserleichterung. Zwar greift hier nicht der Anscheinsbeweis, aber die Klägerin muss nur eine überwiegende, statt der üblichen hohen Wahrscheinlichkeit nachweisen, um das Gericht von der Kausalität zu überzeugen. Das Erstgericht muss nun klären, ob der Bericht und daran anschließende Maßnahmen von Staatsanwaltschaft und Gericht den Täter von seiner Tat abgehalten hätten.

Folgen für Betroffene

Dieser Beschluss stärkt die Rechte von Gewaltopfern, die gegen den Staat klagen wollen. Besonders bei der Beweisführung gibt es nun Erleichterungen, wenn die Polizei ihre Schutzpflichten vernachlässigt.

Für Betroffene bedeutet das bessere Chancen, Schadenersatzansprüche durchzusetzen.

Über den Autor

Studium an der Universität Innsbruck. Gerichtspraktikum im OLG Sprengel Innsbruck. Seit Juni 2024 Rechtsanwaltsanwärter der Lorenz & Strobl Rechtsanwälte GmbH.

Andreas Brunner

Andreas Brunner
Rechtsanwaltsanwärter

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